28.01.2023

BZ-Interview zum Thema Umgang mit digitalen Medien

 

Kindern zu einem kritischen Blick verhelfen

Borken. Auf Initiative der Stadt fand am Mittwochabend im Jugendhaus ein Info-Abend für Eltern von Grundschulkindern zum Thema Umgang mit digitalen Medien statt. BZ-Redakteur Peter Berger sprach vorab mit dem Referenten-Team.

Muss es schon für Kinder im Grundschulalter das neueste Handy-Modell sein?

Sabine Sauret: Natürlich nicht, aber das lässt sich von außen schwer beeinflussen, was Eltern dazu bewegt. Oft ist da das Gefühl, seinem Kind möglichst früh ein gutes Gerät in die Hand zu geben, damit es teilhaben kann. Auch deswegen machen wir diesen Info-Abend, damit dieser Druck genommen wird und sich Eltern untereinander austauschen und keinen Überbietungswettbewerb veranstalten.

 

Henning Lütjann: Wir wollen Eltern ermutigen, sich ihren Kindern zuzuwenden, sich dafür zu interessieren, was ihre Kinder gerade interessiert, welche Computer- oder Konsolenspiele sie spielen. Um zu vermeiden, dass die Kinder das heimlich machen. Kinder fühlen sich dadurch nicht gleich kontrolliert: Sie wollen ja auch gern erzählen, sind stolz darauf, welches Level sie in dem und dem Spiel schon erreicht haben.

Was sollten Eltern beherzigen?

Lütjann: Sie sollten selbstverständlich die Kinderschutzeinstellungen beachten. Ganz wichtig dabei: Habe ich das so eingerichtet, dass mein Kind beim eigenständigen Spiel nicht mit fremden Leuten im Internet sprechen kann? Dann kann ich mit gutem Gefühl aus dem Zimmer gehen. Einfach zu sagen: Hier, installier dir Fortnite, ich komm‘ in ner Stunde wieder. Das geht gar nicht. Da kann in der Zwischenzeit viel passieren. Wichtig ist auch zu wissen, dass bei eigentlich unbedenklichen Standardspielen und Klassikern versteckte Kosten lauern.

Wie lange darf beziehungsweise sollte ein Kind täglich an Handy, Tablet oder Laptop verbringen?

Lütjann: Das ist die meistgestellte Frage der Eltern. Da gibt es keine allgemeingültige Regel. Wichtig ist, mit dem Kind darüber zu sprechen, Grenzen zu vereinbaren. Wer erst für eine Klassenarbeit lernt, kann am Wochenende auch schon mal mehr Medienzeit bekommen. Das wäre dann Verhandlungssache. Hilfreich ist, wenn sich Eltern in dieser Frage untereinander absprechen. Nicht, dass in der einen Familie drei Stunden erlaubt sind und die Kinder der anderen Familien betrachten das dann als Maßstab.

Mira Kamps: Auch über die voranschreitende Digitalisierung in den Schulen sind Tablets im Hausgebrauch immer selbstverständlicher geworden. Wenn man also sieht, mein Kind beschäftigt sich gerade digital mit Hausaufgaben, dann muss das bei der Bemessung des Zeitbudgets natürlich eine Rolle spielen. Wenn die Kinder was Blödes erleben, sollten sie sich jederzeit ihren Eltern anvertrauen können. Dies sollten Mütter und Väter auch jederzeit signalisieren.

Mit dem Begriff „Ensible“ haben Sie zwei französische Wörter verknüpft, die zusammen bedeuten: gemeinsam möglich. Was wollen Sie mit Ihrer Initiative gemeinsam möglich machen?

Yao Houphouet: Im Rahmen dieses Projektes zeigen wir beispielsweise, welche Erfolge eine Klasse im Hinblick auf die Eingrenzung von Mobbing und Schikane erreichen kann, wenn Einzelne den Mut aufbringen sich gemeinsam dagegen zusammenzuschließen.

Welche Rolle spielen hierbei digitale Medien?

Houphouet: Natürlich orientieren sich junge Menschen auch an dem, was sie im Internet erleben, aber gerade die Kinder sagen uns oft: Mein Papa oder meine Mama sollen mal das Handy weglegen, die hören mir gar nicht zu. Beim kritischen Blick auf die Nutzung digitaler Medien sollten wir uns nicht nur auf Kinder und Jugendliche fokussieren, sondern auf die ganze Familie. Eine ganze Urlaubswoche oder eine Klassenfahrt ohne digitale Endgeräte sind kein Ding der Unmöglichkeit.

Außer dem Digital-Konsum ihrer Kinder ist Cybermobbing in den Familien ein drängendes Thema, oder?

Sauret: Im Vergleich zum „analogen“ Mobbing, das es natürlich auch zu verhindern gilt, hat das Mobbing im Netz sofort Publikum. Wer jemanden verunglimpft, ist Cybermobber und zwar von der ersten Äußerung an. Wie man darauf reagiert, hängt davon ab, wie schwer es einen trifft. Das Einfachste ist, den Nutzer blockieren. Die nächste Möglichkeit: Meldung beim Administrator oder der Plattform. Oder anzeigen.

Michael Wanning: „Das Phänomen Cybermobbing wird in den Kriminalstatistiken nicht gesondert erfasst. Deshalb verfügt die Polizei auch nicht über konkrete Zahlen, die unseren subjektiven Eindruck eines Anstiegs dieses Phänomens bestätigten können. Straftaten, die in Fällen von Cybermobbing bei einer Anzeigenerstattung erfasst und in diese Statistiken aufgenommen werden, sind etwa die Beleidigung, die Bedrohung, die Nötigung und so weiter.

Houphouet: Eltern sollten nicht reflexhaft sagen: Mein Kind macht das nicht. Auch im digitalen Raum haben wir es mit wechselnden Rollen zu tun. Fast jedes Kind piekst da auch schon mal rein. Eltern sollten das offen mit ihren Kindern reflektieren. Eine wichtige Verantwortung liegt auch bei der stillen Mehrheit, den Beobachtern von Hate Speech. Die entscheidende Frage, die an diese Gruppe zu richten ist: Wollt ihr, wollen wir wirklich so miteinander umgehen? Eine Diskussion darüber ist der Schlüssel zur Vorbeugung.

Sauret: Eine zentrale Rolle spielt Zivilcourage. Nicht allein handeln, sondern Gleichgesinnte gewinnen, um ein gemeinsames Statement zu setzen. Ich kann nur empfehlen: Nehmt den Hörer in die Hand, sprecht miteinander, belasst es nicht bei Whatsapp.

Welchen Ratschlag haben Sie noch für Familien?

Houphouet: Es geht darum, Kinder darin zu stärken, dass sie Gemeinheiten, die sie im Netz erleben, auch ansprechen. Es geht dann für sie darum, die vielen Verbündeten zu finden, die auch so fühlen. Um damit die Illusion zu brechen, dass da ein ganz Starker ist, gegen den man im Netz nicht ankommt.

Wanning: Wichtig ist, dass Erwachsene sich selbst disziplinieren und Kindern zeigen, dass es auch ohne Handy geht. Dass man eben nicht jede Information über sich in die Welt trägt. Weil das unerwünschte Folgen haben kann.

Sauret: Das Kind, das dank seiner Eltern einen kritischen Blick entwickelt hat, ist am besten geschützt.

Artikel von Peter Berger

 

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